Auf der Fahrt nach München fiel mir letzte Woche im Zug das kostenlose Magazin der DB “mobil” in die Hände. Beim Durchblättern blieb ich bei der Leseprobe des Buches “Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker” von Renate Bergmann “hängen”. Der Schreibstil gefiel mir, es war lustig und ich musste an meine Oma denken, die manche Dinge genau so macht wie “Frau Bergmann”.


Autorin: Renate Bergmann
Titel: Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
Erscheinungsjahr: 2014
Umfang: 224 Seiten

Hier habe ich von dieser Leseprobe etwas zitiert, damit Ihr einen Einblick bekommt, in welchem Stil das Buch geschrieben ist:

“Man denkt gar nicht, was man als alleinstehende Seniorin alles an Einkäufen zu erledigen hat. Da kommt einiges zusammen. Und ein paar Eigenheiten habe ich beim Einkaufen schon.
Meine Flaschen zum Beispiel trage ich nur gespült zurück. Auch wenn nur Sprudel drin war. Wissense, das süße Zeug wie Brause oder diese Ami-Cola, das trinke ich nicht. Ich kaufe nur Sprudel und spüle die Flaschen trotzdem. Ordnung muss sein.
Bei mir werden auch die Joghurtbecher ausgewaschen, bevor sie in die … gelbe? … ja, in die gelbe Tonne kommen. Alles andere ist einfach liederlich. Und es fällt ja negativ auf einen zurück; irgendwann kontrolliert mal jemand, ob der Müll auch richtig getrennt ist, und dann heißt es: “Die Frau Bergmann, die hat schmuddeligen Müll.”
Also die Pfandflaschen werden immer gespült zurückgegeben. Ach, da fällt mir was ein, ich glaube, das habe ich Ihnen noch nicht erzählt … wissense, wie Kurt, Ilse und ich unsere Reisekasse für Tagesbusfahrten mal aufgefüllt haben? Kurt hatte den Einfall, und es klappte ganz prima:”

“Obst wiege ich, wie gesagt, nicht selber, das sehe ich gar nicht ein. Wissense, ich habe nach ’45 Steine geklopft und geholfen, dieses Land wiederaufzubauen. Und jetzt soll ich an dieser Computerwaage rätseln, was die Knöpfe wohl sind? Eine Tomate, ein Apfel oder ein Kürbis? Banansen sind immer auf der Eins, das sieht man daran, dass der Knopf ganz abgewetzt ist. Und zwar nicht nur im Osten. Aber sonst lassense einen ganz schön im Nebel stehen.
Am schlimmsten ist es bei REAL. Ich stand da mit meinen Äpfeln, sie waren rot und rund und glänzten schön. Ich legte sie auf die Waage, und das Ding zeigte zwei Fehler: “OBST” und “GEMÜSE”.
Obst. So schlau bin ich noch. Ich drückte auf “OBST”.
Dann gingen wieder Bilder auf, “KERNOBST”, “STEINOBST” oder was weiß ich noch alles. Ich bin eine einfache Rentnerin, ich habe nicht Biologie studiert. Ich habe einfach “Porree” gedrückt, das war billig und ging am schnellsten. Und mal ehrlich, wenn die Kassiererin das nicht merkt, dass das kein Porree ist, dann hat sie es nicht besser verdient.”

Ausser der Leseprobe war in dem kostenlosen Magazin der Deutschen Bahn auch noch ein Interview mit der Autorin Renate Bergmann. Hier habe ich einen kleinen Auszug zitiert:

“Supermarktangebote studieren, Pfandflaschen spülen, zwischendurch ein bisschen twittern – so ein Rentnerdasein ist echter Stress. Autorin Renate Bergmann nahm sich trotzdem die Zeit für ein Gespräch. Und hatte dann doch die Ruhe weg.

Frau Bergmann, schön, dass wir uns heute auf eine Tasse
Bohnenkaffee treffen konnten. Erzählen Sie unseren Lesern doch mal, wie
Sie zum Twittern und Schreiben gefunden haben.


Angefangen hat alles mit dem alten Telefon von meinem Neffen Stefan,
das ich an mich nehmen sollte, damit die Familie immer weiß, wo ich zu
finden bin. Vorne hat es eine Glasscheibe und hinten eine an­gebissene
Tomate. Es hatte keine Wählscheibe und auch keine Tasten. Die Zeit damit
vergeht wie im Flug. Stefan hat mir so viele verrückte Sachen gezeigt!
Sie glauben es nicht: Man kann mit dem Apparat fotografieren, einkaufen,
Briefe schicken und lesen und sogar Vögel mit einer Steinschleuder
abschießen. Es hilft einem, den Weg zu finden. Das brauche ich aber
nicht, ich fahre ja kein Auto.


Sie waren ja früher bei der Bahn beschäftigt. Wollen Sie ein bisschen aus dieser Zeit erzählen?


Ja, wissense, ich war bei der Bahn, fast 50 Jahre. Ich habe am
Schalter Karten verkauft, bin als Schaffnerin gefahren, und wenn Not am
Mann war, habe ich auch im Speisewagen ausgeholfen. Die Preise hatte ich
im Kopf und auch die Verbindungen und Abfahrtszeiten. Der 56er von
Berlin Ostbahnhof nach Leipzig fuhr immer um drei nach halb. Da könnense
mich heute noch fragen, das sitzt drin im Kopf, und das vergesse ich
nicht mehr. Ich konnte auch den Fahrgästen ihre Anschlusszüge sagen und
von welchem Gleis sie fuhren.”

Auch dieses Interview war interessant und kurzweilig. Die Autorin fand ich einmalig, beim Lesen des Buchauszugs musste ich oft schmunzeln und ich war neugierig auf mehr. Vor meiner Rückfahrt schaffte ich es noch in die Bahnhofsbuchhandlung und kaufte mir das Buch.

Es ist aus dem Rowohlt Taschenbuch Verlag, hat 224 Seiten und kostet € 9,99.

Den Text von der Rückseite des Buches möchte ich Euch nicht vorenthalten:

Ich las bereits auf der Rückfahrt im Buch, und ab und zu lese ich abends vorm Einschlafen. Bis auf Seite 162 habe ich es schon geschafft.

Am Anfang des Buches sind alle darin vorkommenden Personen näher beschrieben, das heisst, Familie, Freunde und Bekannte.

Das Buch ist sehr unterhaltsam und humorvoll und beim Lesen kann man sich die erzählten Situationen, z.B. im Supermarkt bildlich vorstellen. Ich hatte manchmal das Gefühl, einfach dabeizusein. Stellenweise kam es mir vor, als wenn ich meiner Oma beim Erzählen zuhöre. Echt super!

Da ich nicht bei TWITTER bin, habe ich bei Facebook nach “Renate Bergmann” geschaut und … – gefunden. Ja, hätte ich das mal lieber nicht gemacht. Denn bis dahin dachte ich wirklich, dass es sich bei der Autorin um eine Frau handelt und es Geschichten aus ihrem Leben oder aus dem der Mutter oder Oma waren. Aber dann las ich “Fiktiver Charakter”. Nun wollte ich wissen, wer hinter “Renate Bergmann” steckt und suchte im Internet nach einer Antwort. Und hier ist der wahre Autor:

Torsten Rohde, 39 Jahre, Controller aus Genthin (Sachsen-Anhalt). Mit seinem Twitter-Account @RenateBergmann, der vom Leben einer Online-Omi erzählt, startete er im Januar 2013: „Guten Tag. Ich heiße Renate Bergmann und bin
neu hier. Ich suche nette Damen oder Herren für gemeinsame
Unternehmungen. Bitte schreiben Sie.“ Das haben viele gemacht und wie ich gelesen habe, müssen es derzeit so ca. 20.000 Follower sein.

Mein Fazit: Das Buch liest sich sehr gut. Es erzählt in verschiedenen Episoden vom Leben einer Omi, enthält versteckt kleine Kritikpunkte, ist recht amüsant, unterhaltsam und locker! Dass der Autor aber in Wirklichkeit ein 39jähriger Mann ist und die Person, von der das Buch handelt, frei erfunden, hat bei mir doch einen schalen Nachgeschmack hinterlassen. Zumal das Buch in der “ICH-Form” geschrieben wurde. Die Sprüche z.B. bei Twitter (aus dem Buch) oder bei Facebook sind wirklich cool, aber ich hätte das anders aufgezogen. Bestimmt sind einige Follower abgesprungen, nachdem sie ein wenig hinter den Vorhang geschaut haben.
Auf jeden Fall verkauft sich das Buch sehr gut!